Road to Glasgow: Marcel Jüngling - «Immer das Optimum herausholen»
Frankfurt (rad-net) - In wenigen Wochen beginnen in Glasgow die Super-Weltmeisterschaften. Erstmals in der Geschichte des Radsports werden - bis auf Querfeldein - alle Weltmeistertitel an einem Ort vergeben. Der BDR hat in vielen Disziplinen große Medaillenchancen. Die besten Aussichten auf WM-Gold bieten die Kunstfahrer. Wir stellen in den nächsten Wochen aussichtsreiche WM-Kandidaten vor. Heute setzten wir die Serie mit Marcel Jüngling fort.
Marcel Jüngling braucht ein gutes Zeitmanagement, um seine vielfältigen Aufgaben alle unter einen Hut zu bringen: Kunstradsportler, Bundestrainer und wissenschaftlicher Assistent in der Hirnforschung - das ist ein breites Spektrum, das der 26-Jährige täglich bewältigen muss. «Ich könnte mir niemals vorstellen, nur Sportler zu sein. Ich habe eine große Leidenschaft für die Wissenschaft», sagt Jüngling, der Biophysik studiert hat und als wissenschaftlicher Assistent gerade auch an seiner Promotion arbeitet. Auch seine Freundin ist Wissenschaftlerin.
Vor dem ersten Kunstrad-Weltcup in Höchst nahm Marcel Jüngling an einer viertätigen Fortbildung zum Thema Hirnforschung in Stockholm teil und schaffte es gerade noch rechtzeitig zurück zu sein. Dass er in Höchst dann nur Platz vier belegte, nahm er gelassen hin. Wenn man mehrere Schwerpunkte setzt, klappt halt nicht immer alles reibungslos.
Zum Kunstradfahren kam er mehr oder weniger durch Zufall, als er das in seinem Heimatverein, dem RRV Dornheim, wo er eigentlich Turner war, mal ausprobierte. «Ich finde das Kunstfahren äußerst abwechslungsreich. Koordination, Kraft und Ausdauer, gepaart mit hoher Konzentrationsfähigkeit. In fünf Minuten seine Leistung abzurufen, das fasziniert mich», sagt Jüngling. Außerdem mag er es, neue Übungen auszuprobieren, neues dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln. «Ich versuche im Wettkampf immer das Optimum herauszuholen», sagt der Vize-Weltmeister aus Frankfurt, der außerdem schon seit seinem 18. Lebensjahr die Kadersportler des Landesverbandes Hessen betreut. Seit zwei Jahren ist er auch Bundestrainer der U19, gibt sein Wissen in diversen Lehrgängen weiter.
Kunstradsport ist eine sehr trainingsintensive Sportart, eine die nicht nur körperlichen Einsatz, sondern vor allem hohe geistige Konzentration erfordert. Montags bis freitags ist Marcel Jüngling daher immer in der Halle anzutreffen, wo er nach seiner Arbeit trainiert. Seine Lieblingsübung: die Lenkerstanddrehung.
Es sei nicht immer leicht, sich mental voll zu fokussieren, sagt Jüngling, dessen größter Rivale Weltmeister Lukas Kohl ist. Aber nur auf der Wettkampffläche. Mit Kohl teilt er sich seit seinem 13. Lebensjahr das Zimmer bei diversen Lehrgängen, bei Nachwuchsmeisterschaften, bei Weltmeisterschaften in der Eliteklasse. Sie sind zusammengewachsen, haben sich beide in die Weltspitze gefahren. Lukas ist dabei immer einen Tick besser als Marcel. Das hat sie nie gestört. Sie sind und bleiben Freunde, egal wie ein Wettbewerb ausgeht. «Im Kunstfahren gibt es keinen direkten Kampf Mann gegen Mann wie auf der Bahn im Sprint, oder im Radball», erklärt Jüngling, warum ihre Freundschaft nicht durch Erfolg oder Misserfolg leidet.
In Glasgow wollen beide um Medaillen kämpfen. Dazu müssen sie jetzt erst einmal die Qualifikationsrunde überstehen, die am 17. Juni mit den ersten German Masters in Gutach beginnt. Dann werden aus Freunden wieder Rivalen. Aber nur für wenige Minuten.