Bundesjugendleiter Schlichenmaier: «Wir müssen jetzt alle zusammenhalten»
Frankfurt (rad-net) - Jan Schlichenmaier, bis März 2020 Stellvertretender Bundesjugendleiter, hat nach dem Rücktritt von Klaus Markl kommissarisch den Vorsitz der Radsportjugend im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) übernommen. Im Weltradsportverband UCI arbeitet der Meister der Feinmechanik auch als Kommissär im Bereich Mountainbike. Im Interview spricht der 33-Jährige über Probleme und Perspektiven für die Nachwuchsradsportler in Zeiten der Corona-Krise.
Ihren Amtsantritt haben sie sich auch leichter vorgestellt, oder?
Jan Schlichenmaier: Ich habe die Aufgaben ja inoffiziell schon früher übernommen, weil Klaus Markl bereits im Januar zurückgetreten war. Ich bin direkt voll eingestiegen, habe alles voll durchgeplant, Termine gelegt und alles glattgezogen, was liegen geblieben war. An dieser Stelle möchte ich da mal einen Dank an Günter Schabel aussprechen, der mich in dieser Zeit hervorragend unterstützt hat. Jetzt bin ich zum Krisenmanager geworden. Aber gerade in dieser Zeit bewährt sich die gute Zusammenarbeit mit dem Leistungssport, mit Sportdirektor Patrick Moster und Vize-Präsident Günter Schabel. Wir telefonieren viel, planen alles gemeinsam.
Wie sehr trifft die Corona-Krise die Nachwuchsarbeit im BDR?
Schlichenmaier: Sie trifft die Nachwuchsarbeit komplett: Alle Sichtungsrennen, ob im Mountainbike oder auf der Straße, sind weggefallen. Auf der Bahn hoffen wir, es noch bisschen abfedern zu können. Das nächste Sichtungsrennen der U15 auf der Bahn von Gera im Juli könnte klappen. Im Mountainbike versuchen wir wenigstens noch im Herbst eine U15- und U17-Meisterschaft zu platzieren. Auch auf der Straße könnte es später im Jahr noch einige Rennen geben. Da laufen schon einige Gespräche mit Veranstaltern. Unser größtes Ziel ist es, eine Deutsche Meisterschaft ausrichten zu können. Auf der Bahn wird das schwierig, weil zu spät im Jahr offene Bahnen untauglich sind wegen der Witterung.
Gibt es bereits Pläne, wann einzelne Trainingsmaßnahmen wieder möglich sind? Die Bahnfahrer trainieren ja derzeit schon wieder in Cottbus.
Schlichenmaier: Bis jetzt noch nichts Konkretes für den Nachwuchs geplant, weil ja auch die Auflagen und Maßnahmen von Bundesland zu Bundesland zu verschieden sind. Weil Landesregierungen erst ab einem gewissen Kaderstatus Genehmigungen erteilen, hat der Nachwuchs große Probleme. Olympia- und Perspektivkader dürfen beispielsweise die BMX-Bahnen und Rennbahnen nutzen. Auf der Bahn sind Trainingseinheiten auf offenen Bahnen wie in Cottbus oder Oberhausen zum Teil möglich, in Öschelbronn oder Augsburg sind die Bahnen geschlossen.
Sie sind im Nachwuchsbereich für alle Kategorien im BDR mitverantwortlich. Wer leidet am meisten unter der Krise? Bahnfahrer, Hallenradsportler?
Schlichenmaier: Es betrifft eigentlich alle: Die Straßenfahrer und Mountainbiker können draußen trainieren, leiden aber darunter, dass es keine Rennen gibt, und da geht dem einen oder anderen auch die Motivation verloren. Am meisten leiden aber sicher die Hallenradsportler. Dem Hallenradsport wurde komplett die Grundlage entzogen. Derzeit würden die Qualifikationswettkämpfe für nationale und internationale Meisterschaften laufen. Die sind alle abgesagt. Der Hallenradsport hat das Problem der kleinen Trainingshallen, da können Abstandsregeln schlecht eingehalten werden. Veranstaltungen werden derzeit überhaupt keine genehmigt. Da müssen wir die nächsten Wochen abwarten. Derzeit gibt es leider keine Planungssicherheit.
Nachwuchssportler müssen motiviert sein, sonst wenden sie sich anderen Dingen zu. Was tut der BDR, um seinen Nachwuchs bei der Stange zu halten?
Schlichenmaier: Da setzen wir sehr auf unsere Vereine, die Fahrer fürs Training motivieren und versuchen, ihnen Möglichkeiten zu schaffen. Wir als Verband kümmern uns um die schnelle Umsetzung, wenn neue Maßnahmen oder Lockerungen in der Corona-Krise getroffen wurden. Transparenz ist das Stichwort, Vereine und ihre Sportler brauchen Klarheit, wann es wie weitergeht.
Fast alle Nachwuchsklassen beschränken sich auf zwei Jahre, dann erfolgt der Aufstieg in die nächsthöhere Kategorie. Hält man daran fest, auch wenn jeder Klasse durch die Corona-Krise quasi ein Jahr verloren geht?
Schlichenmaier: Das ist sicherlich ein Thema, aber es trifft alle Verbände, die Klasseneinteilungen haben. Wir stehen deshalb in engem Kontakt mit den DOSB. Die UCI regelt die Einteilungen ab der Kategorie U19. Bei beiden Verbänden gibt es Überlegungen, das für eine gewisse Zeit zu ändern. Aber ich sehe Schwierigkeiten in der Umsetzung.
Viele internationale Meisterschaften sind bereits abgesagt oder müssen verschoben werden. Wie gelingt es Ihnen, trotzdem Strukturen ins System zu bringen? Man kann ja nicht von Null auf Hundert durchstarten.
Schlichenmaier: In einigen Bereichen ist es aber so: Letzte Woche hat die UCI einen vorläufigen Weltcup-Kalender für Mountainbike veröffentlicht. Bis 31. August soll es ja keine Großveranstaltungen geben, am 1. September-Wochenende wartet dann schon der erste Weltcup. Immer vorausgesetzt, dass alles planmäßig läuft. Wir bemühen uns im BDR auf Landesverbandsebene kleine Wettkämpfe auf die Beine zu stellen, um Sportler wieder an den Wettkampfmodus zu führen. Das wäre besonders auch im Nachwuchsbereich sehr wichtig. In Ostdeutschland sieht es derzeit relativ gut aus, da laufen bereits erste Planungen.
Sind durch die Krise finanzielle Einbußen für die Nachwuchsförderung zu befürchten?
Schlichenmaier: Nein, aktuell ist das kein Problem, weil bisher alle geplanten Lehrgänge abgesagt wurden und sogar Gelder eingespart werden. Wenn diese jetzt an anderer Stelle nützlich sein könnten, werden wir dem zustimmen. Wir müssen jetzt alle zusammenhalten.
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