Ein Fingerzeig für den Radball: Um Geld dreht sich der Job, der Sport ist Zuschussgeschäft
Frankfurt (rad-net) - Jens Krichbaum zeigte den Ringfinger seiner rechten Hand. Krumm wie eine Harke. «Und der wird nach Bruch und Bänderriss auch nicht mehr gerade», schmunzelt der Radballer. Aber mit diesem Ding hat er beim 5. Spieltag der Bundesliga, dem Heimspiel in Darmstadt-Eberstadt, seinen Kasten wieder weitgehend sauber gehalten: nur vier Gegentreffer. Zusammen mit Partner Marco Rossmann geht der Kampf des SV Eberstadt um den Platz für eine WM-Teilnahme weiter.
Rossmann war 2011 WM-Dritter, damals mit Partner Roman Müller. Um neue Reize zu setzen, entschloss sich das Erfolgs-Duo zu einem Wechsel. Rossmann spannte mit Krichbaum zusammen, der vorher 16 Jahre mit seinem Bruder Holger gespielt - und es bis zum Weltcup-Gesamtsieg gebracht hatte. Vor allem, weil die Beiden nur ein paar Kilometer auseinanderwohnen, bot sich die Formation der ehemaligen Gegner an. «Statt eine Dreiviertelstunde fahre ich nun acht Minuten zum Training», berichtet Rossmann. Und Zeit ist Geld in dieser dynamischen (Rand-) Sportart, bei der zwar Körperteile häufig in Gefahr geraten, aber unverändert kein Geld im Spiel ist.
Da würde sich Jens Krichbaum sonst bestens auskennen. Als Bankkaufmann betreut er Vermögens-Managements «von 100 000 Euro aufwärts». Aber erst nach dem normalen Achtstunden-Tag ist an Konditions- und Technik-Arbeit zu denken. Und beim Bundesliga-Alltag wie zuletzt im Hessischen, als sich die Eberstädter die Tabellenführung von den Weltmeistern 2010, Uwe Berner und Matthias König vom RV Gärtringen zurückholten, wurden Saft und Spezi natürlich privat finanziert.
Dass ein neuformiertes Duo nach so kurzer Zeit überhaupt auf Top-Niveau agiert, ist ungewöhnlich. «Normalerweise braucht man dafür ein Jahr», weiß Krichbaum. «Im Moment fehlt manchmal noch die Abstimmung. Man blickt sich um - und der Partner ist nicht da. Früher hatten wir völlig andere Spielsysteme angewandt, das heißt wir mussten bei Null anfangen.»
Eigentlich im «Minusbereich». Weil die Fingerverletzung, zugezogen vor dem ersten Bundesliga-Einsatz zu Jahresbeginn, eine achtwöchige Pause erforderte, sprang Bruder Holger ein - aber jetzt stört nur noch die Optik am bandagierten Finger. «Wir wollen angreifen.» Partner Rossmann nennt neben Berner/König den SV Ehrenberg mit Rico Rademann und Mike Pfaffenberger als härteste Rivalen. «Dieses Trio dürfte den WM-Platz unter sich ausmachen.» Aber das ist noch ein langer Weg: Bundesliga, Final Five, Deutsche Meisterschaft: Erst danach dürfte feststehen, wer den BDR bei der WM in Aschaffenburg vom 2. bis 4. November in den medaillenträchtigen Disziplinen vertritt.
Noch ein Aspekt treibt das Gespann an. Radball weiter aus der Nische zu ziehen. Da ist man sich mit den Rivalen einig. «Matze» König. «Über jeden Amateur-Fußball wird berichtet.» Während sich für die deutschen Cracks auf höchstem internationalen Niveau nur ein Insider-Kreis interessiere. König ignoriert für PR auf dem Rad das lädierte Knie - «noch hält es mich» -, Krichbaum spürt seine 32 Jahre. «Früher war ich nach einem Turnier-Wochenende nur einen Tag platt, heute spüre ich noch am Dienstag meine Knochen.» Aber zwei, drei Jahre, wollen die routinierten Bike-Koryphäen noch durchhalten, «ob es sich lohnt, dass ich ihn jetzt häufiger sehe als meine Freundin», grinste Jens - und räumte nach dem Bundesliga-Spieltag eigenhändig Banden und Tische weg. Spitzen-Radballer müssen flexibel sein.